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Crashkurs in Sachen Flexibilität

Corona hat den Wandel der Arbeitswelt massiv beschleunigt. Die Präsenzpflicht im Büro ist Geschichte, Homeoffice auf einmal eine Chance. Und wie geht es jetzt weiter? Ein Report.

Lesedauer: 16 Minuten
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ür David Cummins fand die neue Arbeitswelt ein plötzliches Ende, als im März 2020 von heute auf morgen der Lockdown kam. „Gerade erst hatte ich mir abgewöhnt, jeden Tag am selben Platz zu arbeiten“, sagt er. Immer mal wieder den Arbeitsplatz wechseln, neue Eindrücke gewinnen, eine andere Perspektive einnehmen, dabei gerne auch mal von zu Hause arbeiten: Bei der Ministry Group, bei der Cummins einer von vier Geschäftsführern ist, hatte diese New Work-Methode bereits Einzug gehalten. „Dann kam Corona, und seit anderthalb Jahren sitze ich wieder an ein und demselben Schreibtisch – im Homeoffice.“

Seit Corona sind 20 Millionen Menschen ins Homeoffice gewechselt

Für Cummins fühlte sich das zunächst an wie ein Rückschritt. Als Ministry-Geschäftsführer beschäftigt er sich schon seit vielen Jahren mit der Arbeitswelt von morgen. Die Agenturgruppe lebt den Wandel nicht nur selbst, sondern begleitet auch ihre Kunden unter anderem bei der Einführung neuer Arbeitsmethoden. Remote Work, flexibles Arbeiten von überall, eine der neuen Arbeitsweisen, war für ihn längst die Regel, nicht die Ausnahme.

"Homeoffice oder Präsenz? Beides sollte möglich sein." David Cummins, Geschäftsführer Ministry Group
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Für die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland war der plötzliche Umzug ins Homeoffice jedoch eine Revolution im Eilverfahren. Während vor der Pandemie laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung in Deutschland vier Prozent der Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet hatten, waren es während der Pandemie zeitweise bis zu 27 Prozent, die ihren Arbeitsplatz komplett in die eigenen vier Wände verlegt hatten. Eine Steigerung beinahe um das Siebenfache.

Jeder dritte Deutsche will seinen Arbeitsplatz künftig flexibel wählen

Der IT-Branchenverband Bitkom zählt seit Beginn der Corona-Zeit insgesamt 10,5 Millionen Menschen, die gänzlich und weitere 8,3 Millionen, die zumindest teilweise von zu Hause arbeiten. Das sind fast 20 Millionen Berufstätige und damit insgesamt fast 45 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland. Viele von ihnen werden auch nach der Pandemie weiter remote arbeiten wollen. Laut Bitkom-Berechnungen wird jeder Dritte seinen Arbeitsort künftig flexibel wählen. Dreiviertel der Befragten findet sogar, dass Homeoffice noch viel stärker genutzt werden sollte.

Corona hat einen Paradigmenwechsel bewirkt – was nun?

Corona hat die Arbeitswelt verändert. Daran besteht kein Zweifel. Und während wenige Unternehmen schon vor der Pandemie Methoden der neuen Arbeitswelt erprobt haben, sind sie jetzt dazu gezwungen, denn viele Beschäftigte wollen die Flexibilität im Job nicht mehr missen. „Wir sehen hier ganz stark, dass Corona einen Paradigmenwechsel und ein rasches Umdenken – um nicht zu sagen einen Crashkurs in Sachen Flexibilität – in der Arbeitswelt bewirkt hat“, sagt Sabrina Zeplin, die Geschäftsführerin von XING. Auch das digitale Businessnetzwerk hat seine Mitglieder befragt: Für mehr als jeden zweiten Nutzer gilt die Tatsache, dass Betriebe erstmals, beziehungsweise mehr Homeoffice erlaubt haben, als prägendste Konsequenz der Krise im Arbeitsalltag.

Aber was wird aus dieser Konsequenz, wenn die Pandemie vorbei ist? Wie gehen die Angestellten, aber auch die Führungskräfte mit der neugewonnenen Flexibilität um? Was wird aus Remote Work, wenn Inzidenz und Impfquote wieder einen bedenkenlosen Büroalltag ermöglichen? Und wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft eigentlich aus, die letztendlich auch durch die Corona-Pandemie geformt wurde?

Flexible Zukunft: In der neuen Welt der Arbeit ist (fast) alles möglich: die Zoom-Konferenz am heimischen Schreibtisch
Aber auch das agile Meeting im Büro bleibt erhalten.

Fragen, die Martin Permantier schon eine ganze Weile beschäftigen. Er ist Unternehmer, führt eine Markenagentur in Berlin, short cuts, mit 27 Mitarbeitenden und ist Experte für New Work. Er sagt: „Corona war eine Fortbildungsmaßnahme für Führungskräfte zum Thema Vertrauen.“ Viele Unternehmen hätten erkannt, dass ihre Angestellten auch dann gute Arbeit liefern, wenn sie nicht permanent unter Beobachtung stehen und kontrolliert werden können. „Wir sind weg von der alten Erzählung: Der Chef muss rumlaufen und allen auf die Finger gucken, hin zu: Mensch, die können ja eigenverantwortlich arbeiten“, sagt Permantier. Und das sei ein großer Gewinn.

Eigenverantwortung statt Kontrollwahn

Bei short cuts setzt der Chef schon lange auf die Eigenverantwortung seiner Angestellten. Die Teams organisieren sich selbstständig. Einmal am Tag wird sich ausgetauscht. Vor Corona passierte das entweder im Büro oder digital, seit Corona findet der Austausch aber fast nur noch online statt – und es funktioniert. Genau diese Erfahrung hätten auch viele andere Führungskräfte gemacht, sagt Permantier: „Homeoffice? Wow, das geht ja. Zwar macht jeder, was er will, aber es geht.“ Denn während etwa der eine früh morgens arbeitet, arbeitet der andere lieber spät am Abend. „Aber die Ergebnisse kommen“, sagt Permantier.

Corona werde daher nicht nur die Arbeitswelt, sondern allen voran und grundsätzlich das Thema Führung verändern – und zwar langfristig. „Führung wird weniger Kontrollmechanismen haben, dafür aber agiler und verteilter sein“, sagt Permantier. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden sich stärker selbst führen, dafür läuft die Kommunikation dann weniger hierarchisch – nicht zwischen Vorgesetzten und Angestellten, sondern in den Teams. „Dafür braucht es eine neue Vertrauenskultur“, sagt Permantier. Corona könnte der erste Schritt dorthin gewesen sein.

Homeoffice oder Präsenz? Oder beides?

Das glaubt auch David Cummins, der Ministry-Chef. „Corona hat uns zwei Dinge gezeigt“, sagt er. „Erstens: Führungskräfte können ihren Angestellten viel mehr vertrauen als sie immer glaubten. Und zweitens: Homeoffice ist für viel mehr Jobs machbar, als wir dachten.“ Für die Zukunft der Arbeit nach Corona haben Erkenntnisse wie diese weitreichende Folgen. So geht es nach der Meinung des Experten nicht um die grundsätzliche Frage: Homeoffice oder Präsenz? Sondern vielmehr darum, wo welche Arbeit am besten erledigt werden kann. „Und dann sollte letztendlich immer beides möglich sein“, sagt Cummins.

Jeder wie er will? Nicht ganz! Für kreative Prozesse treffen sich die meisten Teams dann doch lieber im Büro.

Für seine Einschätzung hat der Experte ein einfaches Beispiel: Wenn etwa ein Entwickler im Büro nur 30 Prozent von dem Pensum schafft, das er am heimischen Schreibtisch erledigen kann, weil er dort in Ruhe und konzen-triert arbeiten kann – warum sollte er dann nicht immer zu Hause arbeiten? Will aber beispielsweise ein Team Ideen entwickeln und hält dafür das persönliche Miteinander für kreativer – warum sollte dann das Büro nicht zum Treffpunkt fürs Meeting werden?

Hier kommt außerdem ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt zum Tragen: der soziale Austausch. „Wer sich auch mal über andere Dinge als den Job unterhält, wird schnell feststellen, dass er auf Ideen kommt, die ihm nie eingefallen wären, wenn er stumpf seine Agenda abgearbeitet hätte“, sagt Cummins. Diese „Kaffeeküchengespräche“ seien zwar auch digital möglich, aber für viele längst nicht so fruchtbar wie eine persönliche Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht. Das Büro wird daher in Zukunft viel mehr als Begegnungsstätte wichtig, während die konzentrierte Arbeit im Homeoffice erledigt wird.

"Der soziale Schmierstoff in der Firma fehlt vielen." Sandra Guhlke, Arbeits- und Organisationspsychologin
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Dass dieses Prinzip Erfolge mit sich bringt, ist bereits bewiesen. So haben etwa die Forschungsinstitute IGES und Forsa im Auftrag der DAK herausgefunden, dass 63 Prozent der Angestellten hierzulande in 2021 zu Hause produktiver arbeiten als im Büro. Aber nicht nur die Produktivität steigt, sondern auch die Zufriedenheit. Das liegt an der zunehmenden Flexibilität im Homeoffice. Und auch die Unternehmen profitieren von Remote Work: Sie können zum Beispiel Büroflächen verkleinern oder Geld für Dienstreisen sparen und damit ihre Betriebskosten insgesamt um fast ein Viertel senken.

Wie Führungskräfte jetzt am besten mit ihren Angestellten umgehen sollten

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen hat der coronabedingte Umzug ins Homeoffice auch Sorgen verursacht. Zum Beispiel spüren 42 Prozent der Deutschen im heimischen Büro Druck, beweisen zu müssen, dass sie auch wirklich arbeiten. Das führt immer wieder dazu, dass diese Menschen im Homeoffice mehr arbeiten, als sie müssten.

Digitales Neuland – Portal macht Verwaltung von bAV und bKV kinderleicht

Ob Beschäftigtenwechsel, Heirat, Scheidung, Namens- und Beitragsänderung, Elternzeit oder neue Gesetze: Für Personalabteilungen sind mit Verträgen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) und Krankenversicherung (bKV) regelmäßig eine ganze Reihe von Änderungen verbunden. Da verwundert es kaum, dass der bürokratische Aufwand vor allem kleinere und mittlere Unternehmen abschreckt. Doch das muss nicht so sein: Onlineplattformen erleichtern das Einrichten von Employer Benefits wie bAV und bKV und helfen Unternehmen so, für ihre Belegschaft attraktiver zu werden – auch indem sie die Verwaltung laufender Verträge effizienter gestalten.

Mit dem Firmenportal ePension betritt die Gothaer digitales Neuland. Firmen und ihr Personalmanagement erhalten damit ein innovatives Instrument, das bereits unmittelbar nach Installation den Alltag nachhaltig erleichtert. Das Portal bietet eine intuitive Bedienung und bedarf keiner Einarbeitungszeit. Die papierlose Verwaltung optimiert die bAV- und bKV-Welt. Informationen zu Verträgen sind rund um die Uhr abrufbar, Änderungen können jederzeit digital angestoßen werden. Das Suchen von Formularen und Versenden des unterschriebenen Dokuments per Post gehört der Vergangenheit an.

Personalabteilungen können direkt aus der Lohnbuchhaltung heraus entgeltfreie Zeiten oder Zuschüsse anpassen. Viele Änderungen erfolgen im Rahmen der Gesetze sogar unterschriftenfrei oder per digitaler Signatur.

Das neue Angebot ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Gothaer ihren Fokus auf Mittelstand und Gewerbe legt und weiter ausbaut. „Wir möchten unseren mittelständischen Kundinnen und Kunden durch effiziente Prozesse und schlanke Verwaltung mehr bieten als nur Versicherungsschutz und sie optimal unterstützen“, erklärt Oliver Brüß, Vertriebsvorstand der Gothaer Versicherung.

Wie also sollten Führungskräfte jetzt am besten mit ihren Angestellten umgehen, die sie gut anderthalb Jahre fast nur im Video-Chat gesehen haben und die langsam aber sicher in die Büros zurückkehren? Sandra Guhlke hat darauf eine einfache Antwort: „Viel reden.“ Guhlke ist Arbeits- und Organisationspsychologin und als solche in erster Linie Coach für Führungskräfte. Ihnen rät sie, sensibel mit den Angestellten umzugehen. In Ruhe zu besprechen, was gut lief im letzten Jahr und was nicht – und woran sie ganz persönlich in Zukunft gerne festhalten würden.

„Man muss bedenken: Homeoffice hat nicht jedem gutgetan“, sagt Guhlke. „Es gibt auch die Menschen, die den direkten Kontakt zu Vorgesetzten brauchen und klare Führung vor Ort.“ Anderen wiederum habe vor allem der persönliche Austausch im Büro gefehlt. „Der soziale Schmierstoff, der eine Firma zusammenhält“, sagt Guhlke dazu. Um diese Menschen wieder abzuholen, den sozialen Schmierstoff wieder anzurühren, empfiehlt die Psychologin, Raum für emotionalen Austausch zu schaffen. Das heißt auch, gemeinsame Erlebnisse zu kreieren, etwa das Kaffeekränzchen am Morgen oder das Feierabendbier.

Dass Führungskräfte um diese Themen herumkommen, glaubt die 51-Jährige nicht. „Mobiles Arbeiten hat durch Corona noch mehr Einzug erhalten, ist etabliert und wird nicht mehr verschwinden“, ist sie sicher. Dazu passt auch ihre Beobachtung, dass sowohl Arbeitgeber als auch ihre Angestellten deutlich mehr Vorteile darin sehen würden als Nachteile. „Wie Unternehmen diese Vorteile jetzt aber für sich nutzen, hängt allein von ihnen ab“, sagt Guhlke. Denn sie rät Verantwortlichen in den Chefetagen dazu, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Gestaltung der Arbeitswelt nach Corona einzubeziehen: „Alle sollten gemeinsam entscheiden, wie sie zusammenarbeiten wollen.“

Dieser Meinung ist auch Franz Kühmayer. Er ist Trendforscher am Zukunftsinstitut in Wien und Experte für die Arbeitswelt von morgen. Er sagt: „Corona war ein Evolutionsschub.“ Das Ergebnis allerdings steht noch aus. Die Frage ist, wie Unternehmen den Schwung in die Zukunft mitnehmen? „Die Aufgabe ist, eine hybride Arbeitswelt zu gestalten, in der sowohl remote als auch vor Ort gearbeitet wird“, sagt Kühmayer.

Für Ministry-Chef Cummins wäre das der Weg zurück in die Zukunft.


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