„Quereinsteiger finde ich spannend“
Lesedauer: 8 Minuten
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it Sendungen wie „Lanz“ und „Küchenschlacht“ zählt das Hamburger Unternehmen „Fernsehmacher“ zu den renommiertesten TV-Produktionsfirmen in Deutschland. Jedes Jahr werden auf einem ehemaligen Fabrikgelände hunderte Sendungen aufgezeichnet. Jüngst erhielt die Sendung „Lanz“ den Deutschen Fernsehpreis als beste Informationssendung.
Wie Fernsehen ohne Zuschauer funktioniert
Herr Heidemanns, auch Ihre Branche ist von den Corona-Auflagen hart gebeutelt. Vor der Pandemie haben Sie Sendungen wie „Lanz“ oder „Küchenschlacht“ in Studios mit vielen Gästen, Mitarbeitenden und Zuschauern produziert.
Markus Heidemanns: In der Tat hat uns vor allem der erste Lockdown vor immense Herausforderungen gestellt. Quasi von einem Tag auf den anderen durften wir etwa bei ‚Lanz‘ wegen der Abstandsregeln im Studio nur noch drei Gäste einladen. Und wir mussten auf Zuschauer verzichten.
Wie sehr haben Ihnen die Zuschauer gefehlt?
Markus Lanz hat das neulich treffend formuliert, als er sagte, die Sendung sei ohne Publikum noch intensiver geworden. Genauso sehe ich es auch. Wer zu uns in die Sendung kommt, darf nicht mehr auf Applaus oder Lacher mit populistischen Sprüchen hoffen. Und es gibt keine Beifall-Pausen mehr, auf die sich ein Gast einrichten kann.
Bei der „Küchenschlacht“, bei der sechs Hobby-Köchinnen und Hobby-Köche gegeneinander kochen, waren die Herausforderungen durch die Corona-Auflagen wohl noch größer.
Als der Lockdown kam, war mein erster Impuls, dass wir dieses Format stoppen müssen. Sechs Köchinnen oder Köche, die vor Publikum direkt nebeneinander arbeiten, dazu eine Moderatorin oder Moderator, die von Kochstation zu Kochstation gehen, wie sollte das funktionieren? Dann habe ich überlegt, ob es nicht doch einen Weg gibt. Schließlich hängt an dieser Sendung auch ein großes Produktionsvolumen für unsere Firma. Also habe ich mir mit meinem Team in zwei Minuten die ‚Profi-Küchenschlacht‘ als neues Format ausgedacht. Sterne-Köchinnen und -Köche, die sich einen Wettstreit liefern, das gab es noch nie im Fernsehen. Entsprechend gut waren die Quoten.
Was bei Bewerbungen wichtig ist
Die TV-Branche gilt als hart umkämpft. Machen Sie als Unternehmer nur Zeitverträge mit Ihren Mitarbeitenden, um personell reagieren zu können, wenn eine Sendung eingestellt wird?
90 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen haben unbefristete Verträge. Nur bei neuen Formaten sind die Verträge zunächst an die Laufzeit der Formate gebunden.
Worauf legen Sie bei Bewerbungen wert? Schauen Sie sich Zeugnisse und Lebensläufe genau an?
Zeugnisse interessieren mich kaum. Viel wichtiger ist für mich die Biografie. Hat die Person sich beruflich in unterschiedlichen Welten und Hierarchien bewegt? Gab es längere und spannende Reisen? Quereinsteiger finde ich spannend. In den Bewerbungsgesprächen frage ich dann nach kreativen Ideen. Was wäre Ihr Thema in dieser Woche bei ‚Lanz‘ gewesen? Was würden Sie am Format der ‚Küchenschlacht‘ ändern wollen?
Wie ausgeprägt ist die Fehlerkultur bei den „Fernsehmachern“? Wie reagieren Sie auf Pannen?
Fehlerkultur ist für uns sehr wichtig. Wenn jemand einen Fehler macht, ist das kein Problem, sofern man ihn zugibt. Wenn jemand einen Fehler allerdings nicht eingesteht, hat die- oder derjenige ein Problem mit mir. Wenn jemand einen Fehler sogar auf andere schiebt, haben wir ein sehr großes Problem. Und wenn jemand den Fehler auf andere schiebt und mir dann noch sagt: ‚Du machst ja auch Fehler‘, ist es Zeit, sich zu trennen.
Über die Bedeutung von Strenge
Sie sind mit allen Kolleginnen und Kollegen per Du. Sind Sie dennoch ein strenger Chef?
Ja, ich duze jeden. Und ich bin dennoch streng, weil ich bei jeder Sendung bis zur letzten Sekunde versuche, das Beste rauszuholen. Wir haben neulich eine Pilotsendung für die ARD gemacht. Am Produktionstag habe ich den kompletten Einstieg für die ersten zehn Minuten umgeworfen. Das bedeutete für alle sehr viel Mehrarbeit. Ich fordere sehr viel, aber deshalb bringe ich auch genauso viel ein. Strenge ist bei uns nicht negativ belegt.
Wie belohnen Sie besonderes Engagement?
Bei guten Quoten gibt es schon mal Pizza oder Sushi für alle. Wir machen auch ab und an Klausurtagungen an interessanten Orten. Aber viel wichtiger ist die direkte Wertschätzung. Wenn etwas gut gelaufen ist, schreibe ich eine persönliche Mail oder bitte die Kollegin oder den Kollegen zu mir ins Büro. Als FDP-Generalsekretär Volker Wissing neulich bei ‚Lanz‘ sagte, eine Studie habe gezeigt, dass die FDP das beste Klimaprogramm habe, hat eine Kollegin sofort recherchiert und gelesen, dass die FDP diese Studie selbst in Auftrag gegeben hat. Die Information habe ich aus der Regie Markus Lanz aufs Ohr gegeben, er konnte sofort nachhaken. Das war sehr gut, dafür habe ich die Kollegin am nächsten Tag vor der gesamten Mannschaft gelobt.
Legen Sie Wert auf Anwesenheit in der Redaktion? Oder ist Homeoffice für Sie auch ein gutes Modell?
Ich bin durch Corona ein Fan von Zoom-Konferenzen geworden. Du siehst jedem ins Gesicht, niemand arbeitet nebenbei am Computer wie oft bei Konferenzen im Großraum. Entsprechend fokussiert reden wir. Zudem blühen eher stille Kolleginnen und Kollegen plötzlich auf. Daher wird auch nach der Pandemie die Möglichkeit bestehen, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Wer aber lieber ins Büro kommt, kann das natürlich machen.
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