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„Wer nicht nach 1,5° lebt, ist uncool“

Solaranlage, Energiespeicher, Wärmepumpe: Mit der Firma 1Komma5° plant und realisiert Philipp Schröder Energiesysteme für Wohn- und Gewerbeimmobilien. Im Interview erklärt er, wie die Energiewende zu schaffen ist.

Lesedauer: 3 Minuten

Herr Schröder, ihre Firma heißt 1Komma5°, angelehnt an das Ziel des Pariser Klimaabkommens. Demnach soll die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf im Schnitt 1,5° begrenzt werden. Schaffen wir das?
Das finden wir nur heraus, indem wir es versuchen. Wenn ich als übergewichtiger Mensch in einem Jahr 50 Kilo abnehmen will, kann ich auch nicht direkt am ersten Tag seriös beantworten, ob ich es schaffe. Aber ich kann es versuchen. Und wir müssen es versuchen.

Klimakrise: Gemeinsam statt einsam

Schöner Vergleich, aber der übergewichtige Mensch handelt in erster Linie für sich. Vom Klimawandel jedoch sind wir alle betroffen.
Das Bild passt trotzdem, denn beim Abnehmen wie beim 1,5°-Ziel muss zunächst jeder einzelne für sich versuchen, es zu schaffen. Nur dann hat auch die Allgemeinheit eine Chance. Deshalb müssen wir auch unbedingt weg von der Debatte: Okay, China macht weiter Kohlestrom, dann bleiben wir eben auch fett. Das wird uns nicht retten.

"Es gibt in Europa mehr als 62 Millionen Gebäude, die für Solarenergie geeignet sind." Philipp Schröder, Gründer 1Komma5°
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Alles klar, was muss stattdessen jetzt passieren?
Wir müssen die Mobilität, die Wärmeversorgung und den Strommarkt dekarbonisieren. Wobei wir für die Dekarbonisierung von Mobilität und Wärme Strom brauchen – natürlich aus erneuerbaren Energiequellen. Das klingt sehr aufwendig, ist aber in der Praxis gar nicht schwer. Eine Solaranlage auf dem Dach, die den Strom für die Wärmepumpe im Keller produziert. Ein Energiespeicher, der den Strom auch langfristig zur Verfügung stellt. Und eine Ladestation für das E-Auto, die das Fahrzeug mit grüner Energie versorgt. Mobilität, Wärme, Strom: alles nahezu autark bereitgestellt. Das macht den Verbraucher unabhängig von stetig steigenden Öl- und Gaspreisen, rechnet sich auf Sicht und verringert den CO2-Austoß gegenüber Netzstrom um 25 Prozent. Jedes Gebäude spart so bis zu zwölf Tonnen CO2. Es gibt in Europa mehr als 62 Millionen Gebäude, die für Solarenergie geeignet sind.

Ersatzinvestitionen – der Einstieg in die Energiewende

Mit 1Komma5° helfen Sie auch Unternehmen, klimaneutrale Energiesysteme zu installieren. Das könnte auch eine Maßnahme der Gothaer-Initiative „500-50-5“ sein. Wie sollten Unternehmen dann vorgehen?
Ein guter Einstieg in die Energiewende sind Ersatzinvestitionen. Diese Entscheidungen sollten auf jeden Fall klimabewusst getroffen werden, das ist die Grundlage. Wenn ich zum Beispiel das Dach erneuere, sollte ich direkt über eine Solaranlage nachdenken. Wenn ich neue Fahrzeuge anschaffe, dann unbedingt Elektroautos. Und wenn ich eine neue Heizung brauche, warum dann nicht direkt eine Wärmepumpe? Wer hier blind entscheidet, setzt seine Zukunft aufs Spiel. Kaum zu glauben, aber es werden immer noch jedes Jahr rund 700.000 Ölheizungen verbaut. Die stehen dann für die nächsten 20 Jahre da. Und das, obwohl Öl schon jetzt 300 bis 400 Prozent teurer wird.

"Es wird in Zukunft keine erfolgreiche Marke mehr geben, die nicht CO2-freundlich arbeitet." Philipp Schröder, Gründer 1Komma5°
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Wer sein Unternehmen zukunftsfähig machen will, schafft das also nicht mehr nur über Innovationen, sondern durch Infrastruktur?
Durch Nachhaltigkeit – und zwar in allen Bereichen. Es wird in Zukunft keine erfolgreiche Marke mehr geben, die nicht CO2-freundlich arbeitet. Dafür ist der Druck viel zu groß – vom Kapitalmarkt, der CO2 als Risiko sieht, und von der Gesellschaft, der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Auch unser Ziel als Marke ist es zu vermitteln: Wer nicht nach 1,5° lebt, ist uncool. Deshalb unterstützen wir auch bei der Energiewende.

Die Wirtschaft als Faktor im Kampf gegen den Klimawandel

Welche Rolle spielt die Wirtschaft beim Erreichen des 1,5°-Ziels?
Eine größere, als sie denkt. Weil sie Einfluss auf Dinge hat, die wir Konsumenten nur hinnehmen können. Etwa auf Vorprodukte und deren CO2-Bilanz. Zudem beeinflusst sie mit Produkten unser Leben. Moralisierung hat es da viel schwerer: Das iPhone hat die Welt verändert, Fridays For Future arbeiten noch daran. Als selbsternannter Klimawirtschaftsaktivist sage ich deshalb: Ohne die Wirtschaft werden wir 1,5° nicht schaffen.


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