...

Eine durch und durch gesunde Sache

Gesunde Unternehmen haben wirtschaftlichen Erfolg, motivierte Mitarbeitende und eine innovative Organisation. Der Faktor Gesundheit spielt dabei eine immer größere Rolle. Was können Firmen für eine gesunde Belegschaft und eine gute Unternehmenskultur tun?

Lesedauer: 10 Minuten
D

ie Überraschung kommt alle drei Monate mit der Post. Dann erhalten die Angestellten von VARO in Deutschland einen gesunden Gruß aus der Firmenzentrale. Immer zu einem Thema. Einmal zum Beispiel ging es um erholsamen Schlaf, und es waren eine Schlafmaske und eine Postkarte mit Einschlaftipps sowie einem QR-Code, der auf ruhige Musik verlinkte, in dem Paket. Ein anderes Mal ging es um Rückengesundheit.

Gesunde Mitarbeitende, effziente Arbeitskraft

„Das gehört zur betrieblichen Gesundheitsförderung“, sagt Saskia Eggert, die Absenderin der Gesundheitspost. Auf ihrer Visitenkarte steht zwar „Assistenz der Geschäftsführung“, aber zusätzlich kümmert sich die 34-Jährige bei der Deutschland-Tochter des Schweizer Mineralöl-Händlers um die Gesundheit ihrer Kolleginnen und Kollegen. Der Gesundheitsgruß ist da nur ein Baustein. „Es gibt Fitnesskurse und Sportgruppen, jede Woche eine bewegte Pause, zwei Gesundheitsworkshops im Monat, Activity-Challenges oder den Gesundheitsblog“, so Eggert.

„Gesundheit im Betrieb muss von oben nach unten gedacht werden“ Susanne Tiedemann, Arbeits- und Organisationspsychologin beim Fürstenberg Institut
...

Aber nicht nur bei VARO Energy, sondern im ganzen Land steigt das Gesundheitsbewusstsein der Menschen. Und das nicht erst seit Corona. Schon 2018, das hat das Insa-Institut herausgefunden, stand für 45,8 Prozent und damit der Mehrzahl der Deutschen Gesundheit an erster Stelle. Weit vor Familie (35,1) oder Karriere (5,3). Die Corona-Krise hat diesen Trend noch verstärkt. Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos MORI hat ergeben, dass 54 Prozent der Deutschen seit Beginn der Pandemie mehr Wert auf Gesundheit legen als vorher.

Zwangsläufig wird das Thema Gesundheit deshalb auch für die Wirtschaft immer wichtiger. Viele Unternehmen haben das erkannt. In der Studie BGM im Mittelstand 2019/2020 gaben 87 Prozent der befragten Betriebe an, dass die Gesundheit der Belegschaft bei ihnen einen hohen Stellenwert hat. Auf der anderen Seite steigen die Fehlzeiten weiter an: Im Jahr 2019 waren deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Schnitt 18,4 Tage krank. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft gezählt. Zum Vergleich: 2008 waren es mit 12,6 Tagen etwa ein Drittel weniger. Was können Unternehmen tun, um das zu ändern?

Die meisten Unternehmen versuchen, diese Frage mit einem sogenannten betrieblichen Gesundheitsmanagement, kurz BGM, zu beantworten. „Das ist immerhin schon mal ein guter Schritt“, sagt Anke Brinkmann, „aber letztendlich nur die halbe Wahrheit.“ Brinkmann ist Prokuristin bei der Berliner Stadtreinigung und als solche zuständig für das Thema Gesundheit. Sie leitet darüber hinaus die Fachgruppe Betriebliches Gesundheitsmanagement beim Bundesverband der Personalmanager, der größten Vereinigung für Personalverantwortliche in Deutschland. Ihrer Meinung nach müsse Gesundheit im Unternehmen ganzheitlich gedacht werden. Das bedeutet: „Gesundheitsförderung im Rahmen eines BGM ist ein wichtiger Punkt. Aber ebenso wichtig ist eine gesunde Kultur, ein gesundes Miteinander“, sagt Brinkmann.

Wohlbefinden bei der Arbeit

Dieses gesunde Miteinander erreichen Führungskräfte in erster Linie über Wohlbefinden, erklärt Brinkmann: „Wir verbringen so viel Lebenszeit mit Arbeit; da ist es umso wichtiger, sich wohlzufühlen.“ Vor wenigen Jahren habe man sie für solche Aussagen als Esoterikerin belächelt, erzählt sie, „aber heute beobachte ich immer mehr Firmen, die auch diesen Aspekt fest in ihrer Unternehmenskultur verankern.“

Faktoren für eine gesunde Unternehmenskultur sind auch die Möglichkeit zu Homeoffice ...
... oder Alltagshilfen wie eine Kita

Aber was zeichnet eine gesunde Unternehmenskultur überhaupt aus? „Da ist zum Beispiel der Ansatz, niemanden im Unternehmen fallen zu lassen“, sagt Brinkmann. Das klingt selbstverständlich, ist in der heutigen Leistungsgesellschaft, in der Schwächen keinen Platz haben und Scheitern verrufen ist, jedoch noch immer eher Ausnahme als Regel. Bei der Berliner Stadtreinigung ist das anders, wie Brinkmann an einem Beispiel erzählt: Straßen fegen, Mülltonnen ausleeren, Lastwagen fahren – diese Arbeiten sind körperlich sehr anstrengend. Das führt bei einigen Angestellten dazu, dass sie ihren ursprünglichen Job weit vor Beginn der Rente nicht mehr ausüben können. Betriebswirtschaftlich würden sie sinnvollerweise durch junge Kräfte ersetzt, die leistungsfähiger sind. Aber was wird aus den Menschen? „In einer gesunden Unternehmenskultur bleibt niemand auf der Strecke“, sagt Brinkmann. Deshalb wird für diejenigen, die die körperliche Arbeit nicht mehr schaffen, eine neue Arbeit in der Firma gesucht. „Leistungsgewandelten Beschäftigten wieder sinnstiftende Arbeit geben“, sagt die Personalerin dazu.

„Wichtig ist eine gesunde Kultur, ein gesundes Miteinander“ Anke Brinkmann, Leiterin der Fachgruppe Betriebliches Gesundheitsmanagement beim Bundesverband Personal Manager
...

Das städtische Unternehmen sendet damit zwei starke Signale an die Belegschaft. Auf der einen Seite: Hier wird keiner fallengelassen. Und auf der anderen Seite: Die Kolleginnen und Kollegen werden weiterhin im Unternehmen gebraucht. „Beides lässt sie Wertschätzung erfahren“, sagt Brinkmann. Wertschätzung, auch das ist ein wichtiger Baustein in einem gesunden Betrieb. Es muss dabei nicht immer der ganz große Wurf sein. Manchmal genügen auch schon vermeintliche Kleinigkeiten, die dazu führen, dass sich die Angestellten mehr wertgeschätzt fühlen – wie etwa die Führungskraft, die den Mitgliedern ihres Teams das „Du“ anbietet oder Mitarbeitende gendergerecht anspricht.

Zufriedene Mitarbeitende über den Arbeitsplatz hinweg

Auch ein Interesse für die Themen über den Job hinaus kann dazu führen, dass sich Mitarbeitende wohler fühlen in einer Firma. Dazu gehört etwa, die Belegschaft nicht nur im Arbeitsumfeld, sondern auch im Alltag zu unterstützen; etwa bei der Betreuung der Kinder. Bei der Berliner Stadtreinigung zum Beispiel gibt es Schichtmodelle für Eltern, Kinderbetreuungsangebote oder auch Hilfe bei sozialen Problemen. Das können zum Beispiel zielgruppenspezifische Angebote einer Sozialberatung sein, um die Angestellten von Alltagssorgen zu entlasten. „Am Arbeitsplatz auch mal über andere als fachliche Dinge zu reden, fördert den Zusammenhalt und das Wohlbefinden, ist wichtig, passiert aber noch zu selten“, sagt Brinkmann. Dabei sei persönliches Interesse am Gegenüber ein wesentlicher Aspekt gesunden Miteinanders.

Alle diese kulturellen Einflüsse haben jedoch nur eine Chance, wenn sie von den Männern und Frauen in den Chefetagen vorgelebt werden, sagt Susanne Tiedemann: „Gesundheit muss von oben nach unten gedacht werden.“ Tiedemann ist Diplom-Psychologin beim Fürstenberg Institut, das Unternehmen schon seit mehr als 30 Jahren beim betrieblichen Gesundheitsschutz unterstützt. Arbeits- und Organisationspsychologie ist ihr Fachgebiet. Ihrer Meinung nach liegt der Schlüssel für ein gesundes Miteinander in der Beziehung zwischen Führung und Belegschaft.

Gesunde Angestellte sind leistungsfähiger

Da ist zum Beispiel das Thema Präsentismus. „Das heißt, dass sich Mitarbeitende krank zur Arbeit schleppen, weil sie unter Leistungsdruck stehen oder der Chef oder die Chefin das sogar erwartet“, sagt Tiedemann. Dabei seien sie gerade dann bis zu 20 Prozent weniger leistungsfähig. „Für sowas ist in einer gesunden Unternehmenskultur kein Platz“, sagt die Psychologin. Aber dafür brauche es ein Umdenken bei den Führungskräften: Weg vom Leistungsgedanken hin zu mehr Empathie: „Der Mensch ist die wichtigste Ressource meiner Firma.“

Vorbild Berliner Stadtreinigung: Wenn Angestellte körperliche Arbeit nicht mehr schaffen...
... erhalten sie andere Job – etwas im Büro

Für dieses Umdenken gibt es einige gute Argumente. „Gesunde Angestellte sind nicht nur seltener krank, sondern auch leistungsfähiger“, sagt Tiedemann. Und sie hat recht. Der Risikomanager Willis Towers Watson zum Beispiel hat 350 Betriebe analysiert und herausgefunden, dass die Rendite der Firmen mit gutem Gesundheitsschutz binnen fünf Jahren um fast 15 Prozent gestiegen ist. Außerdem hat sich der Umsatz pro Arbeitskraft bei diesen Betrieben um elf Prozent erhöht.

Die betriebliche Krankenversicherung

Auch Andreas Trautner kennt die betriebswirtschaftlichen Vorteile gesunder Angestellter. Trautner ist Experte für betriebliche Krankenversicherung. Er nennt den Einsatz für Gesundheitsschutz der Belegschaft „Investition ins Humankapital – in die Maschine Mensch.“ Trautner sagt: „Wenn ein Computer abschmiert, brauche ich einen Techniker, der ihn repariert. Genauso ist es auch, wenn die Maschine Mensch abschmiert.“ Seine Lösung: eine betriebliche Krankenversicherung.

Die betriebliche Krankenversicherung verbindet die Aspekte Prävention und Hilfe im Krankheitsfall. Trautner beschreibt das so: „Ich schließe einen Service-, Wartungs-, und Werkstattvertrag für meine Mitarbeitenden ab.“ Service: Spezielle Leistungen wie etwa eine digitale Sprechstunde oder eine Online-Terminbuchung beim Arzt. Das und vieles mehr vereint die Gothaer für ihre Krankenversicherungskunden in ihrer Gesundheitsapp (Kasten unten auf der Seite). Wartung: Vorsorgeleistungen wie etwa jährliche Gesundheitschecks. Werkstatt: Schnelle Hilfe im Schadenfall – schnell einen Termin bekommen, schnell behandelt werden, um schnell wieder einsatzfähig zu sein.

Gesundheitsapp: Smarter Service für die Hosentasche

Mit der Gesundheitsapp der Gothaer profitiert die Belegschaft mit bKV-Vertrag von Services, Tools und weiteren Vorteilen – immer und überall. Den passenden Facharzt oder die richtige Fachärztin finden, Termin vereinbaren und direkt digital per Video-Chat beraten lassen: Mit der Gesundheitsapp der Gothaer haben Kunden ihren Arzt oder ihre Ärztin immer in der Hosentasche. Die App steht krankenversicherten Kunden zur Verfügung und bietet weitere Services: Rechnungen oder Rezepte bequem per App einreichen und die Abrechnungen digital abrufen.

Abgesehen davon hat eine bKV weitere Vorteile, auch im Bereich der Unternehmenskultur. Da ist zum Beispiel das Thema Wertschätzung: „Der Einsatz zeigt der Belegschaft: Das ist ein Unternehmen, das etwas für uns tut“, erklärt Trautner. Das macht sich auch dadurch bemerkbar, dass Angestellte über ihre Firma einen Gesundheitsschutz erfahren, an den sie privat durch ihre gesetzliche Krankenversicherung nie gekommen wären, weil sie ihn sich womöglich nicht leisten können oder durch die Gesundheitsprüfung privater Versicherer fallen, die es dagegen bei der betrieblichen Lösung meist nicht gibt.

Kassenpatienten – Privatpatienten

Warum sich das für Firmen auch finanziell lohnt, rechnet Trautner vor: Jeder Tag, den Angestellte krankheitsbedingt fehlen, kostet den Unternehmer etwa 300 Euro. Auf der anderen Seite kostet eine betriebliche Krankenversicherung pro Person etwa 500 Euro im Jahr. „Das haben Unternehmer meistens schon nach zwei Krankheitstagen raus“, erklärt der Experte. Noch deutlicher wird es im Krankheitsfall: Während Kassenpatienten vier Wochen auf einen Facharzttermin warten, bekommen ihn Privatpatienten schon nach drei Tagen. „Das sind 17 Arbeitstage weniger, also mehr als 5.000 Euro geringere Kosten“, erklärt Trautner. Auf diese Weise hilft betriebliche Krankenversicherung, Fehlzeiten zu reduzieren und Kosten zu senken.

„Nur schlanke Lösungen können schnell integriert werden“ Philippe Bopp, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens machtfit
...

Damit es erst gar nicht soweit kommt, gibt es Angebote wie machtfit. Philippe Bopp hat diese Firma 2011 mit vier Freunden gegründet. Seitdem unterstützt der 36-Jährige Unternehmen bei betrieblicher Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeitenden – vor allem bei Prävention. „Ergonomie, Bewegung, Ernährung, Psyche: Prävention ist überall wichtig“, sagt er.

Herzstück seines Angebots ist eine digitale Plattform. „Damit können die Kunden Gesundheitsangebote steuern“, sagt Bopp. Diese Plattform ist aufgeteilt in drei Bereiche. Der erste besteht aus einem Health-Center für Gesundheitsangebote. Hier können sich Nutzerinnen und Nutzer für Kurse einwählen. Der zweite Bereich ist der sogenannte Content-Bereich. Hier werden Expertentipps veröffentlicht oder Video-Clips für Workouts sowie Rezepte für gesunde Gerichte eingestellt. Den dritten Bereich können Kunden so befüllen, wie sie möchten – etwa mit den Terminen für den nächsten Firmenlauf oder die nächste Grippeschutzimpfung.

Corona hat viel verändert

Egal ob durch eine gesunde Unternehmenskultur, gute Führung oder konkrete Maßnahmen: „Der Gesundheitsschutz der Belegschaft ist ein sehr wichtiger Faktor für den Erfolg einer Firma“, sagt Arbeits- und Organisationspsychologin Tiedemann. Mit anderen Worten: Gesundheitsschutz sorgt nicht nur für gesunde Mitarbeitende, sondern auch für ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen. Das belegt zum Beispiel der iga.Report 28 der Initiative für Gesundheit & Arbeit. Demnach kann Gesundheitsförderung die Fehlzeiten in Unternehmen um bis zu 25 Prozent reduzieren. Auf der anderen Seite senkt jeder in Gesundheitsförderung investierte Euro die Kosten für Krankheitstage um 2,37 Euro. Geld, das Firmen gerade in der Corona-Zeit gebrauchen können.

Das Virus hat die Gesundheitsförderung jedoch auf allen Ebenen verändert, sagt Tiedemann. Die Unternehmenskultur ist im Homeoffice kaum noch zu spüren, Führung funktioniert über Video-Chat nicht wirklich optimal, und Sport- und Fitnesskurse sind über den Livestream auch eher gewöhnungsbedürftig. Auf der anderen Seite ist die Corona-Situation für all diese Bereiche aber auch eine große Chance, sagt die Psychologin: „Gerade jetzt können Betriebe und ihre Führungskräfte durch Einsatz, Engagement und einen engen Kontakt zur Belegschaft beweisen, dass ihnen die Angestellten wichtig sind.


...

Besuchen Sie unser Chefsache-Archiv!

Hier finden Sie zum Download sämtliche bisherigen Ausgaben der Chefsache.

Zum Archiv