Ausgabe 01/23: Zukunft wird aus Mut gemacht

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Weinanbau mitten im Ruhrgebiet

Mitten im Revier wird Elias Sturm Weinreben pflanzen und jedes Jahr 2.000 Flaschen produzieren – ein mutiges Start-up.

Lesedauer: 4 Minuten

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er Plan klingt wie eine Schnapsidee. Weinanbau mitten im Ruhrgebiet? In Herdecke, an einem historischen Industriedenkmal im Herzen des Reviers? Gäbe es einen Preis für die verrückteste, die mutigste Geschäftsidee, Elias Sturm, 23, wäre er kaum zu nehmen. Der Architekturstudent glaubt fest an seine Vision: „2026 werden wir den ersten Jahrgang ernten.“ Am späten Vormittag hat er seine erste Schicht bereits hinter sich, das Vorbereiten der Fundamente mit neun Tonnen Beton für die neue Forstwinde. „Danach“, sagt Sturm, „ist man das erste Mal durchgeschwitzt.“ Kein Wunder: Wer die Treppe an den Druckrohrleitungen des 1994 stillgelegten Pumpspeicherkraftwerks oberhalb des Hengsteysees erklimmen will, muss 346 Stufen steigen.

Ein Weinberg mitten im Ruhrgebiet: Hinter der Idee steckt ein starkes Team

Knochenarbeit

Das vergangene Jahr hat Sturm fast jede freie Minute auf diesem Hang verbracht, mit einer Gruppe von Freiwilligen mannshohe wilde Brombeersträucher gerodet. Einen alten Pflug, der über Jahrzehnte in einem benachbarten Waldstück vor sich hin rottete, haben sie dafür wieder flottgemacht. Knochenarbeit. Künftig soll es dank einer modernen Winde und eines Pflugs, den Sturm von einem Weinbauern an der Mosel erwarb, deutlich schneller gehen. Ein halbjähriges Praktikum bei einem Bio-Winzer in Italien infizierte den damals 19 Jahre alten Sturm. Zunächst baute er im Garten seines Onkels 99 Reben an. Mit Unterstützung der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur will er nun am Koepchenwerk 1.300 Reben pflanzen. Von der Lage ist Sturm überzeugt: „Dank der südöstlichen Lage des Steilhangs und der im Wasser reflektierenden Sonne ist der Standort klimatisch optimal. Und der Boden aus Sand- und Kalkstein ähnelt den Weinbergen an der Mosel.“

„Der Boden aus Sand und Kalkstein ähnelt den Weinbergen an der Mosel.“ Elias Sturm kennt seinen Weinberg in- und auswendig
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Wein aus dem Herzen des Reviers

Neben der körperlichen Arbeit muss Sturm auch bürokratische Hürden nehmen: Neuer Flächennutzungsplan, Anträge bei der EU, Einsammeln von Spendengeldern über Rebpatenschaften. „Entsprechend viele Nachtschichten stehen für mein Studium an der FH Dortmund an“, sagt Sturm. Umso dankbarer ist er der Gothaer. „Ich habe gedacht, ich müsste für die Versicherung tonnenweise Papierkram abarbeiten. Aber das ging alles ganz schnell und unkompliziert.“ Sturm lobt vor allem die Flexibilität: „Wenn sich unsere Anforderungen an die Haftpflichtversicherung ändern, weil wir neue Maschinen anschaffen, reagiert die Gothaer sofort.“ Reich wird niemand mit dem Weinanbau am Koepchenwerk. Sturm rechnet mit 2.000 Flaschen Ertrag pro Jahr, Bio-Qualität steht für ihn über alles. Und Regionalität: „Anbau, Lese, Keltern, auf Flaschen ziehen, das passiert alles in Herdecke.“ Mediterranes Flair im Herzen des Reviers.

Weitere Informationen auf der Homepage projectvino.de


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