Ausgabe 01/23: Zukunft wird aus Mut gemacht

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„Mehr die Chancen sehen“

Stephan Biallas, Strategieberater für den Mittelstand und Partner bei EY, über Mut, Risiko und den Vergleich mit den USA.

Lesedauer: 3 Minuten
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err Biallas, nach einer Umfrage der Wertekommission unter Führungskräften rangiert der Wert Mut in Deutschland weit abgeschlagen hinter Werten wie Vertrauen oder Respekt. Ist das deutsche Management von Mutlosigkeit geprägt?

Stephan Biallas: In dieser Studie fehlt mir das Thema Innovation. Das geht natürlich sehr eng einher mit Mut. Denn ich muss ja den Mut haben, innovative Lösungen auch umzusetzen. Und hier habe ich leider den Eindruck, dass wir manchmal in Deutschland noch zu sehr auf dem bereits Erreichten beharren. Wir ruhen uns zum Teil auf den Lorbeeren der vergangenen Jahrzehnte aus. Mir fehlt die Freude, der Mut zu Innovation, der unbedingte Wille, in die Weltspitze zurückzukehren. Es gibt zwar die junge Generation, die Start-ups gründet. Aber ich frage mich: Wo ist dieser starke Innovations-Geist in der Breite der Unternehmenslandschaft hierzulande?

Zudem gehen viele erfolgreiche deutsche Start-ups in die Staaten.

Das ist leider richtig. Auch das hängt mit fehlendem Mut zusammen. In den USA gibt es viel mehr Mut, in neue Ideen zu investieren. Entsprechend groß ist dort die Chance auf Venture-Capital, auf Wagnis- Kapital. Wir tun uns damit im Vergleich zu anderen Ländern schwer, wir sind eher sicherheitsorientiert.

Stephan Biallas leitet als Partner bei EY (Ernst & Young) die Beratung für den Mittelstand in Deutschland und West- und Zentraleuropa. Sein Fokus liegt auf der Beratung in den Bereichen Strategie und digitale Transformation.






Was hat die Pandemie mit Blick auf Mut verändert?

Corona war ein Signal, ein Weckruf. Seitdem trägt der Mittelstand verstärkt seine technologische Erblast ab und beschäftigt sich intensiv mit der Digitalisierung. Interessant ist, dass der Mut zu Innovationen in Familienunternehmen oftmals ausgeprägter scheint. Diese Unternehmen haben den Anspruch, ihr Unternehmen auch an die nächste und übernächste Generation weiterzugeben und denken langfristiger.

Zum Mut gehört auch Scheitern können. Es heißt, dass Amerikaner damit entspannter umgehen als wir Deutschen. Ist das ein Klischee?

Nein, das ist so. Ich war 2022 mit Kolleginnen und Kollegen von EY im Silicon Valley. Wir haben eine Woche über neue Technologien diskutiert, zum Beispiel über Themen wie regenerative Energie, synthetische Biologie, die Zukunft der Medizin. Die Grundeinstellung zum Scheitern dort ist eine völlig andere. Wer bei uns mit einer Geschäftsidee scheitert, steht schnell auf der Abschussliste. In den USA heißt es: Du hattest zumindest den Mut, es zu versuchen. Steh wieder auf, zieh die richtigen Lehren und mach es beim nächsten Mal besser.

Wie behindert die vielzitierte Bürokratie unternehmerischen Mut?

Es heißt ja gern, dass man bei einer Unternehmensgründung in Deutschland stirbt, bevor die neue Firma entstanden ist. Aber nach einer Studie braucht man für die Gründung im Schnitt acht Tage, das ist gar nicht so schlecht, in den USA sind es laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahre 2018 zwar 5,6 Tage, in Spanien jedoch 12,5 Tage. Trotzdem wird geklagt, und das ist ziemlich typisch Deutsch. Das gilt auch für die häufig als restriktiv angesehenen regulatorischen Eingriffe der EU Kommission. Nehmen wir das neue Datengesetz, das den Zugriff auf Daten von zum Beispiel elektronischen Haushaltsgeräten erleichtert. Wer künftig in der EU etwa Waschmaschinen herstellt, muss seine Geräte so konzipieren, dass die Daten über Schnittstellen auch Dritten ungehindert zur Verfügung gestellt werden.

Da werden sich die Hersteller aber bedanken. Das klingt ja wie eine Einladung an die Konkurrenz.

Dabei wäre der andere Weg besser: Ein Hersteller kann künftig vergünstigte Wartungstarife anbieten, da er über die Daten der Maschine beispielsweise die Zahl der Waschvorgänge auslesen und so die Wartungsintervalle optimiert planen kann. Solchen Mut wünsche ich mir wieder mehr. Mehr die Chancen sehen, nicht nur die Risiken.





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