Ausgabe 01/23: Zukunft wird aus Mut gemacht

Revolution mit einer Hand
Lesedauer: 5 Minuten
I
ch hatte einfach schon immer Bock, etwas dazu beizutragen, dass wir hier auf der Erde nachhaltiger werden“, sagt Dr. Silvan Siegrist, wenn er über den Antrieb für seine Entscheidungen der vergangenen Jahre nachdenkt. Das persönliche Credo beeinflusste ihn beispielsweise bei seiner Promotion am Institut für Solarforschung des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), spielte aber auch eine große Rolle, als er sich 2009 entschied zu gründen. Vier Jahre ist das jetzt her.
Digital in die Zukunft
Gegründet hat der Schweizer Siegrist zusammen mit seinem Promotionskollegen Arne Tiddens und Doktorvater Bernhard Hoffschmidt. „Bernhard hat sich schon lange mit Gebäudeforschung beschäftigt. Ein großes Problem erkannte er in der Komplexität, ein Gebäude zu vermessen und auf dieser Grundlage nachhaltig zu sanieren“, sagt Siegrist. Dies liege vor allem daran, dass es in Deutschland nur eine sehr lückenhafte Bestandsdokumentation in der Immobilien- und Bauwirtschaft gebe, die dazu noch nicht digitalisiert sei. „Was für ein großes Problem dieser Status Quo bedeutet, wurde mir klar, als ich auf eine Statistik vom Bundesumweltamt gestoßen bin“, sagt Siegrist. Aus dieser ging hervor, dass der Betrieb von Gebäuden in Deutschland rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs und der Co2-Emissionen ausmacht.

Um die selbstgesetzten Emissionsziele der Bundesregierung zu erreichen, sei laut Bau- und Umweltexpertisen eine jährliche Gebäudesanierungsquote von drei bis fünf Prozent vonnöten. Aktuell werden laut Siegrist aber nur etwa ein Prozent der Gebäude in Deutschland saniert: „Um die Quote zu erfüllen, reichen die wenigen Experten und Expertinnen in Deutschland jedoch nicht aus.“ Und genau dort möchte Lumoview ansetzen: „Unser Ziel ist es, digitale Tools zu entwickeln, um komplizierte Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen und damit für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen“, sagt Siegrist.
Durch Feedback und Austausch zum Ziel
Während der Schweizer noch an seiner Doktorarbeit saß, machte sich sein Businesspartner Tiddens schon 2019 an die Entwicklung eines ersten Prototyps. Für wenig Geld besorgte er sich Laser- und Thermalhandysensoren und entwickelte mit seinem Promotionskollegen die Idee für ein Produkt, dass mithilfe von Thermalscreening Wasserrohrbrüche schnell detektieren sollte. Durch die Hilfe von ersten Förder- und Investorengeldern und mit der Forschungsgrundlage, die über Jahre im DLR gereift war, ging es anschließend in die Produktentwicklung. Siegrist und Tiddens probierten aus, änderten ab, stellten um. In Gesprächen mit ersten interessierten Menschen merkten sie allerdings, dass Thermalscreening zwar spannend, aber nur schlecht zu monetarisieren war. Ein größeres Interesse bestand jedoch an Grundrissen und 3D Modellen, die auf thermalen und geometrischen Daten basieren – dem heutigen Kerngeschäft von Lumoview.

So arbeitet Lumoview
Um Gebäude und Räume zu vermessen, braucht Lumoview heute kein ganzes Ingenieursteam, das tagelang eine Immobilie vermisst, sondern nur ihren selbst entwickelten Zauberstab, den „Lumoscanner“. Dieser funktioniert in Kombination mit einer Erfassungs-App auf dem Handy oder Tablet. „Um Ergebnisse zu erhalten, stellt man sich mit dem Lumoscanner einfach in die Mitte eines Raumes oder Gebäudes, betätigt den Auslöser und wartet zwei Sekunden“, erklärt Siegrist. Auf Basis von visuellen und thermalen Informationen, die der Lumoscanner durch Panoramafotos, Wärmebildkameras und Lasermessungen gewinnt, können anschließend Daten in die Lumoview-Cloud gelangen, wo dann das Post-Processing geschieht. Heraus kommen präzise 3D-Modelle und Grundrisse.
Mut und Ehrgeiz in einer volatilen Weltlage
Unternehmen, zu deren Aufgaben das Management von Immobilienportfolios gehört, können Dank der Grundrisspläne, 3D-Modelle und Excel-basierten Übersichtslisten ein digitales Facility Management etablieren. „Außerdem helfen wir, Energiekosten zu reduzieren. Mit Partnerunternehmen erstellen wir auf Basis unserer gewonnenen Daten individuelle Sanierungspläne für Immobilien“, sagt Siegrist. In den Jahren seit der Gründung konnte Lumoview seinen Umsatz jährlich verdreifachen. Geht es nach Siegrist, soll dies auch im laufenden Jahr geschehen. „Wenn alles so funktioniert, wie wir uns es vorstellen, wird unser Cashflow 2024 positiv“, sagt er. Nächstes Ziel sei die Expansion in weitere Länder. Neben Projekten in Deutschland, Österreich und Schweiz hat das Unternehmen Pläne in Finnland und weiteren skandinavischen Ländern – Visionen, die in einer volatilen Weltlage Mut und Ehrgeiz erfordern. „Für mich bedeutet Mut, einfach zu machen. Man muss vielleicht auch mal große Unsicherheiten aushalten, am Ende lohnt es sich aber immer, einem Credo zu folgen“, sagt Siegrist.

