„Mitarbeitende wollen beflügelt werden“
Lesedauer: 4 Minuten
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Herr Schleburg, die Beziehungen zwischen Unternehmen und Belegschaften haben sich während Corona durch die Distanz im Homeoffice teilweise verschlechtert. Wie gehen Sie in Ihrer Firma mit Distanz um?
Jörg Schleburg: Wir sind ein kleines Team mit sieben Leuten. Jeder kennt jeden, da arbeitet man automatisch eng zusammen – von wo aus auch immer. Eine Person aus unserem wissenschaftlichen Beirat kommt beispielsweise aus Berlin, die habe ich persönlich noch nie getroffen. Trotzdem ist die Zusammenarbeit prima. In großen Firmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden ist das schwieriger.
Vertrauen als Schlüssel zu guter Unternehmenskultur
Viele Unternehmen haben nach eineinhalb Jahren Pandemie und Home- office mit einer emotional gewachsenen Distanz ihrer Belegschaft zu kämpfen. Corporate Distancing nennen Fachleute dieses Phänomen. Was hat es damit auf sich?
Corona hat zwei Extreme offenbart. Unternehmen mit einer vertrauensbasierten Kultur hatten im Homeoffice wenig Probleme mit sozialer Distanz. Die haben gesagt: Arbeite, wann Du willst, wie Du willst und von wo Du willst. Das hat die Motivation sogar gesteigert. Wo allerdings wenig Vertrauen gelebt wurde, wo der Chef die ganze Zeit kontrolliert hat, ob zu Hause wirklich gearbeitet wurde oder nicht, war die Entfremdung besonders groß.
Woran merke ich als Führungskraft, dass sich meine Angestellten im Homeoffice von mir und dem Unternehmen emotional entfernen?
Es gibt verschiedene Indikatoren. Einer kann die Leistung sein. Es gibt Mitarbeitende, die tauchen eine Woche lang ab und können dann auch keine Ergebnisse vorweisen. Auch das äußere Erscheinungsbild kann Hinweise liefern, dass etwas schief läuft. Ist eine Person ungewaschen, unrasiert oder kommt häufig zu spät in den Chat? Bringt sie sich in keine Diskussionen mehr ein oder hat regelmäßig die Kamera ausgeschaltet? Spätestens dann muss man fragen, ob noch alles in Ordnung ist.
Die Kraft der Kommunikation
Reden hilft?
Eindeutig ja. Und das ist durch das Homeoffice nicht einfacher geworden, weil gerade die nonverbale Kommunikation, die Hinweise auf den emotionalen Zustand eines Menschen liefert, auf der Strecke bleibt. Gerade deshalb muss ich noch intensiver kommunizieren.
Ist das Problem Corporate Distancing auch eine Typ-Frage?
Ja, sicherlich. Extrovertierte Menschen haben es leichter. Sie finden immer eine Möglichkeit zu kommunizieren. Introvertierte Menschen da- gegen müssen von der Führungskraft im Meeting auch mal direkt angesprochen werden. Aber es kommen auch andere Faktoren hinzu, wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihrer Firma distanzieren. Einer ist die Rolle der Person im Unternehmen: Die Fachkraft, die schon lange in der Firma arbeitet, muss nicht groß geführt werden. Wer aber junge Mitarbeitende, die vielleicht gerade erst von der Uni kommen und sich erst zurechtfinden müssen, nicht führt, wird sie ganz schnell verlieren. Das ist gefährlich, denn diese Menschen sind die Zukunft des Unternehmens.
Wenn Angestellte jetzt wieder zurückkommen ins Büro: Wie kann man sie wieder neu für das Unternehmen begeistern?
Das gelingt auf zwei Ebenen: auf der beruflichen und auf der privaten. Beruflich ist es ja so: Die einen freuen sich, wieder zurück ins Büro zurückzukommen. Das sind meist diejenigen, die sich stark über den Job definieren und eine sehr emotionale Beziehung zu ihrer Arbeit haben. Die anderen wollen es erstmal ruhiger angehen lassen. Vielleicht sind sie unsicher, was sich verändert hat. Beide Charaktere müssen eingebunden werden, damit am Ende alles wieder funktioniert. Und auf der privaten Ebene? Wie wäre es mit einer kleinen Welcome-back-Party? Schließlich haben wir uns alle sehr lange nicht gesehen.
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