„Unternehmer-Gen? Wir haben das Boxer-Gen“
Lesedauer: 11 Minuten
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or mehr als 30 Jahren organisierten die Heavy Metal-Fans Thomas Jensen und Holger Hübner quasi nebenbei erstmals das Wacken Open Air-Festival. Heute ist aus einer Dorf-Veranstaltung in einer Kiesgrube in Norddeutschland ein Millionenunternehmen mit jährlich 75.000 Festivalbesuchern geworden. Und die beiden Macher sind ein Paradebeispiel für erfolgreiches Entrepreneurship.
Herr Jensen, wenn man Sie anschaut – lange Haare, Rock ’n’ Roll-Outfit, Macher des weltweit größten Open Air HeavyMetal-Festivals – dann fällt es schwer, den Businessmann in Ihnen zu sehen. Tatsächlich leiten Sie mit Ihrem Partner Holger Hübner inzwischen ein mittelständisches Unternehmen mit 25 Millionen Euro Jahresumsatz und rund siebzig Angestellten. Ihr Firmenkonstrukt ist verzweigt. Sogar einen US-Investor haben Sie seit einem Jahr. Stichwort Private Equity. Wie kriegt man so einen Spagat hin?
Thomas Jensen: Das ist kein Spagat. Ich denke ganz oft, in den Grundzügen haben wir uns nur wenig verändert, auch wenn aus Dorf, Stadt, aus regional global geworden ist. Kürzlich haben AC/DC eine neue Single veröffentlicht. Die habe ich schon als 14-Jähriger gehört. Und wenn sie sich die Stars der Branche mal ansehen – Rolling Stones, Kiss – sie alle haben irgendwann Selbstverwaltung gelernt. Ich sage es ungern: Musik ist Business geworden.
Wacken – eine Idee beim Bier
Mit einem Metal-Festival Geld zu verdienen, war aber schon der Plan?
Es begann 1989 als Idee beim Bier. Ich habe BWL studiert, gekellnert, als Roadie für Bands gearbeitet. Holger war Industriekaufmann. Irgendwann wollten wir uns nur noch unserer Leidenschaft, unserer Musik, dieser Community, diesem Lifestyle hingeben. Dafür mussten wir genug Geld verdienen. Dass daraus ein kleines Imperium entstehen würde, hat niemand geglaubt. Es war also mehr Sachzwang.
Das heißt …?
Unsere Motivation war nicht, viel Kohle zu machen. Aber wir wollten die größte Bühne haben, die besten Boxen, die beste Licht-Show, das geilste Team. Und natürlich wollten wir die besten Bands verpflichten. Unsere Musik ist auch unser Lifestyle. Das eine geht nicht ohne das andere.
Besser sein zu wollen als andere, ist eine Grundvoraussetzung für Erfolg …?
Mein Vater war selbstständiger Einzelhändler. Da habe ich früh interessante Einblicke gehabt. Unternehmersein heißt ja, ich unternehme etwas. Es gab damals kein vernünftiges Metal-Festival, also haben wir eines gegründet. Heute sage ich, es war unsere gesellschaftliche Aufgabe. Wir haben es für uns, aber auch für unsere Freunde, unsere Community getan. Wir haben versucht, Engpässe aufzulösen. Und Verantwortung übernommen.
Über Fallen und wieder Aufstehen
Dann haben Sie das Unternehmer-Gen?
Ich befürchte fast. Allerdings ist meine Theorie, dass jeder da hineinwachsen kann. Ökonomisch zu denken, hat uns anfangs auch nicht gefallen. Ich hatte zwar eine Mathe-Zwei im Abi und habe auch einen Statistikschein während des Studiums gemacht, aber wie man eine schwarze Null erwirtschaftet, das mussten wir erst lernen. Es war manchmal frustrierend.
Sie mussten Rückschläge hinnehmen?
Wir haben jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Ich sage nur: Augen auf bei der Berufswahl. Aber wir haben nicht aufgegeben. Ich würde fast sagen, Holger und ich, wir haben das Boxer-Gen. Die Augen sind zugeschwollen von den Treffern, wir lassen uns das Lid aufschneiden, schütteln uns und machen weiter. Wir sind hart im Nehmen.
Haben Sie sich Hilfe gesucht? Expertenrat eingeholt?
Unser Team, das ist das oberste Regal an Kompetenz. Egal, ob Putzhilfe oder Bürokraft, bei uns wird jeder wertgeschätzt, bringt sich ein. Kürzlich hatten wir ein Führungskräfteseminar bei uns. Daran haben Holger und ich natürlich auch teilgenommen.
Klingt nach perfekter Führung. Können Sie also loslassen, haben Vertrauen, nehmen die Mitarbeiter mit bei schwierigen Entscheidungen?
Wir glauben zumindest, dass wir flache Hierarchien haben. Und in der Theorie versuchen wir, mehr abzugeben. Und ja, wir wissen, dass es die Mitarbeiter nervt, wenn man alles kontrolliert. Aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Wir sind 30 Jahre dabei. Wir sind vielleicht nicht die Schlauesten, aber uns fällt immer etwas ein. Das wissen unsere Mitarbeiter.
Gerade eben sind die Zeiten wieder schwierig. Das Coronavirus hat zur Absage der meisten Großveranstaltungen, auch Ihres Festivals, geführt.
Auch wieder so eine Herausforderung. Natürlich wird diese Absage finanzielle Einbußen nach sich ziehen. Bis wir dazu konkrete Zahlen haben, braucht es allerdings noch viel Zeit. Aber ein Jahr halten wir durch. Mehr als 90 Prozent der Besucher haben ihre Tickets für 2021 eingetauscht. Inzwischen sind wir wieder ausverkauft. Diese Szene ist sehr stark und robust.
Wie ein US-Investor Teil von Wacken wurde
Gab es eine Alternative im Netz? Die meisten Kulturschaffenden retten sich mit digitalen Veranstaltungen über die Zeit.
Natürlich haben auch wir etwas hingekriegt. Unser Online-Festival unter dem Motto ‚Wacken World Wide‘ erreichte elf Millionen Fans. Wir hoffen aber darauf, das Festival 2021 wieder wie gewohnt durchführen zu können.
Sie haben einen US-Investor als Partner ins Boot geholt. Warum dieser Schritt? Passt so eine Entscheidung zum Image?
Die Providence Equity-Tochter Superstruct Entertainment kommt aus dem Festival-Bereich. Sie ist weltweit vernetzt, steuert große Events. Wir sind top-zufrieden, nun auch dazuzugehören. Wir wollen noch besser werden. Das ist unsere Motivation. Und unser Investor macht uns stärker.
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