...

Grüner David fordert Goliath

Internetnutzer suchen Begriffe online, Ecosia pflanzt dafür Bäume: Das ist die Idee von Gründer Christian Kroll. Sein Suchmaschinen-Start-up aus Berlin ist die umweltfreundliche Alternative zum Weltmarktführer Google. Wer sie nutzt, tut dabei sogar Gutes.

Lesedauer: 8 Minuten
E

s gehört sich eigentlich nicht, Ecosia zu googeln. Schließlich ist Ecosia selbst, wie Google, eine Suchmaschine im Internet. Preisfrage also: Wie findet man eine Suchmaschine im Netz? Der Mann, der darauf eine Antwort wissen muss, heißt Christian Kroll, ist Erfinder, Gründer und Unternehmer und hat glücklicherweise nicht nur Verständnis für die Frage, sondern auch eine Antwort. „Es gibt neben Google und Ecosia viele Suchmaschinen“, sagt er. „Man kann also gern Ecosia googeln und danach einfach weiter ecosieren.“

Viele Vorteile für Ecosia

Tatsächlich gibt es vieles, was fürs Ecosieren spricht und nichts spricht dagegen. Denn dank der Hilfe von Microsoft, deren Suchtechnik Ecosia verwendet, funktioniert die Internetsuche kaum schlechter als mit Google. Außerdem können sich Nutzer im Gegensatz zum weltbekannten Pendant wegen des strengen Datenschutzes bei Ecosia ihrer Daten sicher sein. Dazu unterstützen sie statt eines Großkonzerns aus den USA ein cooles Start-up aus Berlin. Und das Wichtigste: Sie tun dabei etwas Gutes für Umwelt und Klimaschutz. Denn Ecosia pflanzt für jede Suchanfrage irgendwo auf der Welt einen Baum.

„Nachdem wir die laufenden Kosten für Gehälter und Büro gedeckt haben, gehen die Gewinne in die Projekte.“ Christian Kroll, Gründer Ecosia
...

Die Idee dazu kam Christian Kroll nach einer Weltreise, obwohl er beruflich zunächst in eine ganz andere Richtung unterwegs zu sein schien. Schon auf dem Schulhof hat er während des Abiturs in Wittenberg damit begonnen, Aktien zu handeln. Während des BWL-Studiums in Nürnberg investierte er weiter, unter anderem wegen der Rendite in ukrainische Ölaktien. Außerdem verdiente er Geld mit einer Bankenvergleichs-Website. Dann ging es auf die Reise um die Welt.

75 Mitarbeiter und 99 Prozent der Firmenanteile in einer Stiftung

„Auf dieser Reise habe ich mehr über die Folgen von Entwaldung erfahren“, sagt Kroll. Heute ist er Vegetarier, versucht, Flüge zu vermeiden, und hat auch seinen privaten Konsum reduziert. Seine Firma gründete Kroll 2009. „Zu Beginn waren es nur meine Schwester, ich und manchmal ein paar Freelancer“, sagt er. Mittlerweile hat er 75 Mitarbeiter und 99 Prozent der Firma an die Purpose-Stiftung abgegeben. Das soll verhindern, dass Ecosia verkauft werden oder jemand Gewinne aus dem Unternehmen herausziehen kann.

Christian Kroll hilft mit seinem Start-up Ecosia weltweit Menschen durch Aufforstung von Landschaften. Das Unternehmen ist Kunde der Gothaer.
Ecosia ist – wie jede andere Suchmaschine – als Startseite auf jedem Computer installierbar.

Mehr als 100 Millionen Bäume hat Kroll mit Hilfe regionaler Organisationen in 26 verschiedenen Ländern wie Uganda, Malawi oder Bolivien gepflanzt; auf einer Fläche fast halb so groß wie Berlin. Ein Counter auf der Suchseite zählt den aktuellen Stand immer mit. Sekündlich schnellt die Zahl nach oben.

Bäume pflanzen – einfach und effektiv

Aber einfach einen Baum irgendwo hinzusetzen, das kommt für Kroll nicht infrage. „Wir wollen Bäume so pflanzen, dass wir die Ökosysteme vor Ort schützen“, sagt er. Deshalb kommen Monokulturen nicht infrage. Außerdem garantiert Ecosia, dass die Bäume mindestens drei Jahre überleben und die Partner vor Ort soziale Standards erfüllen, etwa keine Kinderarbeit zulassen und faire Löhne zahlen.

Bäume pflanzen sei nicht nur eine der einfachsten, sondern auch effektivsten Möglichkeiten, um das Klima zu schützen, sagt Kroll. Er rechne damit, dass ein Kilogramm CO2 pro Suche absorbiert werde. Bei mehr als 100 Millionen Suchan-fragen in den etwas mehr als zehn Jahren sind das im Schnitt 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr.

Mit seinen Finanzen geht das Unternehmen transparent um. Jeden Monat veröffentlicht Ecosia auf seiner Website einen Bericht, der zeigt, wie viel Geld eingenommen und wofür es ausgegeben wurde. So hat die Firma im Juli fast 1,5 Millionen Euro umgesetzt und davon für exakt 468.633 Euro 642.270 Bäume finanziert. Und mit 59.578 Euro flossen nicht einmal vier Prozent des Umsatzes ins Marketing.

Wie findet man Ecosia?

Was zur Eingangsfrage zurückführt: Wie findet man Ecosia? „Ecosia lebt davon, dass Menschen anderen Menschen davon erzählen“, sagt Kroll. Oft würden Kinder Ecosia ihren Eltern empfehlen, die dann wiederum Kollegen davon berichten – und so weiter. So hat Ecosia bereits 15 Millionen Nutzer erreicht. Sie ist damit die größte Suchmaschine Europas.

Faire Arbeitsbedingungen vor Ort sind wichtig für Ecosia-Projekte. Dafür setzen sich sowohl die Partner vor Ort als auch das Team in Berlin ein.

Im Vergleich zu Google ist die Zahl allerdings gering. Rund 3,4 Milliarden Suchen zählt der Marktführer – am Tag. In Deutschland bleibt für Ecosia lediglich ein Prozent Marktanteil. „Wir sind eigentlich nicht mal David gegen Goliath, wir sind eher Bakterie gegen Goliath“, sagt Kroll. Dennoch ist es ihm wichtig, das Monopol aufzubrechen. „Es braucht große Player, die nach ökologischen und ethischen Standards arbeiten. Ein größerer Marktanteil macht beides möglich“, sagt der Gründer. Auf der Seite können Nutzer Ecosia als Standardsuchmaschine einstellen. Dann muss man auch nicht mehr danach googeln, sondern kann sofort ecosieren.


...

Besuchen Sie unser Chefsache-Archiv!

Hier finden Sie zum Download sämtliche bisherigen Ausgaben der Chefsache.

Zum Archiv