Mit einem plastikfreien Lieferdienst zum Erfolg
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inter mir an der Außenscheibe unseres neuen Lagers prangt es in großen Lettern: „Wir sind dein plastikfreier Lieferdienst für Düsseldorf.“ 18 Mitarbeitende zählt unsere Firma aktuell: „Julia und ich als Gründerin und Gründer, Menschen fürs Marketing, die Logistik und das Lager, zwei Fahrer, fünf Werkstudenten und sechs Praktikantinnen und Praktikanten.“ Nicht schlecht für so ein junges Start-up, das am 16. März 2021 in der Küche einer kleinen Düsseldorfer Wohnung gegründet wurde – per Handschlag zwischen zwei ehemaligen BWL-Studierenden der Heinrich-Heine-Universität: Julia Riensche und mir. Und doch möchte ich die aktuelle Lage nicht beschönigen. Die Wahrheit ist: Wir haben es geschäftlich gerade mit einer hochexplosiven Mischung zu tun.
Ein Anfang in der Krise
Die Welt ein bisschen besser machen. Chancen sehen, nicht das Risiko. Sich was trauen. Das sind für mich die bleibenden Werte der besten Idee meines Lebens, egal, wie das im Hier und Jetzt auch ausgeht. Direkt nach dem Bachelor 2018 das One-Way-Ticket nach Peking zu buchen, von da aus 18 Monate auf Weltreise zu gehen und dann ‚Glasbote’ zu gründen! So viel Schönes habe ich gesehen in den 25 Ländern meiner privaten Welttournee – und so viel Plastikmüll überall, entsetzlich.
Als ich, zurück zu Hause, in der ersten Corona-Pleitewelle meinen neuen Job bei Ernest&Young direkt wieder verliere, klingele ich bei meiner Freundin Julia durch: Wollen wir ’was wagen? Ja, wir wollen! Unsere Idee: unverpackte, also Plastik-verpackungsfreie Bio-Ware per Fahrradkurier in fast alle Düsseldorfer Stadtteile zu liefern! Die eigenen kompletten Ersparnisse von rund 25.000 Euro nehme ich als mein Startkapitel. Und damit steigen wir ein in die wilde Business-Achterbahn, die wohl alle jungen Leute, die gründen, kennen. ,Glasbote’ beginnt aus einem Kellerraum heraus. Gute Wochen, schlechte Wochen.
Mit Optimismus in eine ungewisse Zukunft
Ein unverhofftes Hoch, als im Januar dieses Jahres die ortsansässige Zeitung „Rheinische Post“ über die gute Geschäftsidee berichtet. Vier Investoren melden sich, mit dreien bekommen wir einen Deal hin. Auf einmal können wir sechsstellig investieren. Und dann? Der Krieg, der nach Corona der nächste Konjunkturkiller und Kostentreiber wird. Es droht Rezession. Gerade hat uns wieder ein Investor abgesagt. Er meint, dass die Leute ihr Geld jetzt lieber für billigere Lebensmittel ausgeben werden.
Ist das jetzt der Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt? Oder geht noch was? Jedenfalls akquiriere ich mir momentan den Mund fusselig. Ist sehr anstrengend mit den 80-Stunden-Wochen und wenig, aber dafür schlechtem Schlaf – aber ,Glasbote’ ist doch unser Baby! Vielleicht doch fusionieren mit einer größeren Firma? Dann wäre die eigene Marke verloren, aber Idee samt Mitarbeitenden gerettet – sie sind wie meine Familie, so tolle Leute. Gerade laufen spannende Gespräche, an meiner Eitelkeit wird nichts scheitern. Und selbst wenn es schiefgeht: In zwei Jahren werde ich wieder etwas Neues gründen. Der Weltreise sei Dank.
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