Ausgabe 01/23: Zukunft wird aus Mut gemacht

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„Menschen mit Mut sind echte Leuchttürme“

Seine Mission: Köpfe öffnen und den Wandel wandeln. Der Mut- und Neugierforscher Dr. Carl Naughton über die Macht der Neugier und den Weg zu mehr Mut.

Lesedauer: 5 Minuten
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err Dr. Naughton, Sie bezeichnen sich als Neugier- und Mutforscher. Warum ist Mut für Führungskräfte so wichtig?
Dr. Carl Naughton: Menschen, die beruflich neugierig und deshalb bereit sind, alte Pfade zu verlassen und ungewöhnliche Wege auszuprobieren, verfügen über ein enormes psychologisches Kapital. Dass Neugier zu mehr und besseren Ideen führt, ist wissenschaftlich erwiesen. Dazu kommt, dass Neugierige laut Studien gewissenhafter sind. Sie bleiben automatisch länger dran, wollen verstehen und durchdringen. Das ist nützlich für Unternehmen. Also machen Führungskräfte, die neugierig und mutig sind und diese Eigenschaften auch bei anderen fördern, ihre Teams signifikant besser. Das ist wirksame Führung.

Was bedeutet es für eine Unternehmerin oder einen Unternehmer, mutig zu sein? Oder anders: Wie erkennt man Mut bei einer Führungskraft?
Zukunftsmut setzt sich aus vier Dimensionen zusammen. Zuversicht, Selbstwirksamkeit, Widerstandskraft und realistischer Optimismus. Also zuerst: Glaube ich an meine Idee, ganz grundsätzlich? Zweitens: Wie stark ist dieser Glauben? Kriege ich das hin? Packe ich das? Glaube ich, dass ich die Fähigkeiten habe, den Weg zum Ziel zu gehen und zu schaffen? Drittens: Knicke ich nicht gleich ein, wenn es mal Schwierigkeiten gibt? Habe ich das Vertrauen, es wirklich drauf zu haben und nicht nur abends auf dem Sofa zaubern zu können, aber am nächsten Tag im Büro nichts auf die Reihe zu kriegen? Und viertens: Bin ich optimistisch, dass ich aufgrund meiner Fähigkeiten genau das schaffe, was ich mir vorgenommen habe. Menschen, die über ein solches psychologisches Kapital verfügen, haben darüber hinaus eine höhere Change Readiness und sind damit, in heutigen Zeiten besonders wichtig, besser vorbereitet auf Veränderungen. Sie sind für Unternehmen Leuchttürme, von denen alle anderen lernen.

Kann man Mut denn lernen?
Ja. In der Psychologie gibt es zwei Stränge: die klinische Psychologie, die Menschen, denen es nicht gut geht hilft, dass es ihnen wieder besser geht. Und die positive Psychologie, die dabei unterstützt, zu einem ausgefüllten Wohlbefinden zu gelangen. In diesem Bereich kann man sehr wohl Eigenschaften verändern.

Wie macht man das?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich habe mit einem Mittelständler zusammengearbeitet. Dabei ging es um die Frage, wie mutig das Unternehmen in Sachen Innovationen ist. Die Selbsteinschätzung der Führungskräfte war, dass sie – natürlich – mutig seien, aber auch besonders sorgfältig, präzise und genau. Sie argumentierten, bevor sie eine Innovation auf den Markt brächten, würden sie alles nochmal ganz genau anschauen und auf den Prüfstein stellen. Deshalb könne es zuweilen zu Verzögerungen kommen. Bei unserer Analyse kam heraus, dass Genauigkeit gar nicht der erste Antrieb war. Tatsächlich waren die Persönlichkeiten so gestrickt, dass sie zögerten, Neues zu wagen. Der Antrieb für ihr Handeln war also keineswegs Gewissenhaftigkeit, sondern eher Angst.

Zur Person

Dr. Carl Naughton, 53, ist Psychologe, Linguist, Buchautor, Speaker und Trainer. Der deutsch-englische Dozent für Wirtschafts- & Führungspsychologie an der FOM/Frankfurt gehört dem Curiosity Council des Technologieunternehmens Merck an und forscht mit der George Mason University aus Virginia sowie der Northern Business School aus Hamburg. Er absolvierte eine Schauspielausbildung in London und Los Angeles und arbeitete 15 Jahre für deutsche Fernsehsender. Mehr Informationen gibt es auf carlnaughton.de

Wie gelingt eine Verhaltensänderung?
Grundsätzlich gilt: Es gibt Eigenschaften, an denen können Sie nichts ändern: Augenfarbe, Schuhgröße, in gewisser Weise Intelligenz. Andere kann man durch Erlebnisse umprogrammieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei Vorbilder, Menschen, von denen andere lernen, eben diese Leuchttürme, von denen ich sprach. Auch das habe ich einmal bei einem Unternehmen erlebt: Die Performance des Teams gründete sich auf drei Personen mit hoch ausgeprägtem Vorbildcharakter. Die haben etwas vorgelebt, die anderen haben es sich abgeguckt. Eine ganz einfache Form von sozialem Lernen.

Das führt uns zu einer anderen Frage: Wie stellt man Teams zusammen, damit sie funktionieren?
Gute Frage: Wie finden wir einerseits den Top-Performer, den wir ins Team holen, und erkennen andererseits den Flop-Performer, den wir meiden? Wenn ich mit Führungskräften spreche, stelle ich oft die Frage: Wie stellt Ihr Eure Teams zusammen? Die Antwort lautet meist: Wir gucken genau hin, wir haben eine gewisse Routine bei Bewerbungen und im Prinzip sind wir ja auch pfiffig was unser Personal angeht.

Wir ahnen: Das ist nicht die beste Lösung.
Richtig. Bevor man ein Team zusammenstellt, muss man die Frage beantworten: Welches Ziel soll diese Gruppe erreichen? Denn für manche Ziele braucht man ein heterogenes Team mit verschiedenen Menschen und unterschiedliche Meinungen. Für andere Ziele ist ein homogenes Team, in dem alle ähnlich ticken, die einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen. Wenn man sich darüber nicht im Klaren ist, kann man echt danebenliegen. Dann stellt man die besten Leute ein und hat trotzdem ein nicht funktionierendes Team.

Dennoch gibt es doch sicher grundsätzliche Prinzipien, wie ein gutes Team funktioniert?
Jedes Team braucht gemeinsame Lebensprinzipien und ein Bild, was man gemeinsam schaffen will. Das ist die wichtigste Aufgabe, wenn man ein Team zusammenstellt: dass die Mitglieder ihre Top-fünf-Ziele definieren und wissen: Dafür leben und arbeiten wir.


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